
Nitrofurantoin bei Blasenentzündung: Anwendung, Wirkung und wichtige Aspekte der Behandlung
Autoren: Dr. med. Michaela Hilburger, Fachärztin für Urologie
Zur Behandlung von bakteriellen Blasenentzündungen steht eine Vielzahl von Präparaten zur Verfügung. Neben pflanzlichen Mitteln und Schmerzmitteln wie Ibuprofen kommen auch verschiedene Antibiotika zum Einsatz. Eines dieser Antibiotika ist Nitrofurantoin, das zur Behandlung von Harnwegsinfektionen verordnet werden kann.
Wann kommt Nitrofurantoin zum Einsatz und wie wirkt es?
Nitrofurantoin kann je nach Anwendungsgebiet bei Kindern ab dem 3. Lebensmonat sowie bei Frauen und Männern eingesetzt werden. Es wird verwendet zur
Behandlung akuter Blasenentzündungen: Es wird bei Frauen zur Therapie unkomplizierter Blasenentzündungen (Zystitis) verwendet, wenn keine erschwerenden Faktoren (z. B. Diabetes mellitus, anatomische Besonderheiten der Harnwege) vorliegen1. Bei Männern, deren Harnwegsinfekte generell als kompliziert gelten2, kommen andere Antibiotika zum Einsatz.
Vorbeugung und Unterdrückung von chronischen Harnwegsinfektionen: Nitrofurantoin kann bei chronisch wiederkehrenden Infektionen oder bei Harnwegsinfekten mit Abflussstörungen (z. B. Harnleiterengen) zum Einsatz kommen [1]. Es wird jedoch nur genutzt, wenn keine risikoärmeren Antibiotika einsetzbar sind [1].
Wirkweise von Nitrofurantoin
Nitrofurantoin wird im Körper durch Bakterien in seine aktive Form umgewandelt [3,4]. In der Blase erreicht der Wirkstoff hohe Konzentrationen, hemmt das Bakterienwachstum und tötet die Erreger ab [3]. Es wirkt gegen viele Bakterienarten wie Enterokokken, Staphylokokken, Escherichia coli und andere Enterobakterien, die häufig Harnwegsinfektionen verursachen [3]. Dabei ist das Risiko für Resistenzen vergleichsweise gering [3].
Anwendung von Nitrofurantoin: Dosierung und Behandlungsdauer
Nitrofurantoin wird als Tablette oder Kapsel mit etwas Wasser eingenommen. Wie lange das Medikament angewendet wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hier spielt unter anderem der Behandlungszweck eine Rolle.
- Bei einer akuten Blasenentzündung müssen Sie Nitrofurantoin in der Regel mehrmals täglich über 5 bis 7 Tage einnehmen [5].
- Zur Entzündungshemmung bei Harnabflussstörungen wird das Medikament über einen Zeitraum von bis zu drei Monaten verabreicht5. Die Therapie erfolgt hier phasenweise mit Unterbrechungen.
- Zur Vorbeugung wiederkehrender Infektionen kann Nitrofurantoin über einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten abends nach dem letzten Wasserlassen angewendet werden [5].
Nitrofurantoin nicht auf leeren Magen
Nitrofurantoin sollte nicht auf nüchternen Magen eingenommen werden. Das Medikament wird am besten während oder nach einer Mahlzeit mit etwas Flüssigkeit (vorzugsweise Wasser) geschluckt [1,4,5].
Regelmäßige Blutkontrollen bei Nitrofurantoin-Langzeittherapie
Nicht weniger wichtig als die korrekte Einnahme von Nitrofurantoin sind Blutuntersuchungen vor und während der Therapie: Vor der Verordnung von Nitrofurantoin sollten die Nieren- und Leberwerte überprüft werden, da eine Funktionsstörung dieser Organe gegen eine Therapie mit Nitrofurantoin sprechen könnte [5].
Auch während der Therapie sind regelmäßige Blutkontrollen zur Bestimmung des Blutbildes sowie der Nieren- und Leberwerte wichtig, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen [5]. Dies gilt insbesondere bei einer Langzeitanwendung [5].
Nebenwirkungen von Nitrofurantoin
Wie bei allen Arzneimitteln können auch unter Nitrofurantoin unerwünschte Wirkungen auftreten. Bei Nitrofurantoin können diese zum Teil harmlos, zum Teil aber auch schwerwiegend sein. Seien Sie deshalb achtsam, wenn Sie eine Veränderung an sich bemerken und suchen Sie im Zweifelsfall lieber zu früh als zu spät einen Arzt auf.
Was sind mögliche Nebenwirkungen von Nitrofurantoin?
Im Folgenden sind die möglichen Begleiterscheinungen nach ihrer Häufigkeit aufgelistet: [1]
- Sehr häufig (bei mindestens 1 von 10 Anwenderinnen): Schwindel, Bewegungsstörungen (Ataxie), unwillkürliche Augenbewegungen (Nystagmus) sowie allergische Reaktionen mit Fieber, Juckreiz, Nesselsucht, Hautveränderungen und Wassereinlagerungen.
- Häufig: Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden wie Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen sowie Lungenprobleme wie Wassereinlagerungen oder Entzündungen der Lunge, Brustfellentzündung (Pleuritis), Atemnot, Husten und Schmerzen im Brustkorb.
- Gelegentlich: Erhöhung der Leberwerte im Blut, vorübergehende Störung des Gallenabflusses oder Leberentzündung.
- Selten: Durchfall und psychische Veränderungen wie Verwirrtheit, Depression, Euphorie oder psychotische Reaktionen.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe sehr seltener Begleiterscheinungen sowie Nebenwirkungen, deren Häufigkeit aufgrund der bisher vorliegenden Daten nicht genau bestimmt werden kann. Beispiele sind Anämie, Nervenstörungen, Vernarbung der Lunge (Lungenfibrose), vollständiges Versagen der Leberfunktion oder zum Teil lebensbedrohliche Hautreaktionen mit Blasenbildung6. Eine vollständige Aufzählung all dieser unerwünschten Wirkungen würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Sie finden jedoch alle Einzelheiten in der Packungsbeilage Ihres Arzneimittels.
Schwerwiegende Nebenwirkungen: Wann sollte ein Arzt aufgesucht werden?
Wie Sie sehen, gibt es einige – wenn auch seltene – Nebenwirkungen, die durchaus gefährlich sein können. Wir wollen Ihnen damit keine Angst machen, sondern Sie für das richtige Verhalten im Notfall sensibilisieren. Wenn folgende Begleiterscheinungen auftreten, sollten Sie die Einnahme von Nitrofurantoin sofort abbrechen und umgehend einen Arzt aufsuchen:
- Lungenprobleme: Kurzatmigkeit, Atembeschwerden, trockener Husten, Brustschmerzen, Fieber oder Atemnot [6]
- Überempfindlichkeitsreaktionen: Engegefühl in der Brust, Schwindel, allgemeines Unwohlsein, Schwäche oder Anzeichen eines allergischen Schocks6.
- Veränderungen an Haut und Schleimhäuten: Hautausschlag, Blasenbildung, Schälen der Haut6.
- Leber- oder Gallenprobleme: Appetitlosigkeit, Gelbsucht, dunkler Urin, Juckreiz oder Schmerzen im Oberbauch6.
- Neurologische Symptome: Schmerzen, Brennen, Kribbeln oder Taubheit in Händen und Füßen, Benommenheit oder Schwäche6.
- Blutarmut (Anämie): Mögliche Anzeichen sind blasse Haut, anhaltende Schwäche oder Atemnot6.
Nitrofurantoin und Fruchtbarkeit: Was Sie wissen sollten
Die Einnahme von Nitrofurantoin kann bei Männern sehr selten zu einer verminderten Zeugungsfähigkeit führen, da der Wirkstoff die Spermienbildung hemmen kann6. Dieser Effekt ist jedoch nur vorübergehend und bildet sich wieder zurück [6].
Blutzucker, Nierenwerte und Co: Kann Nitrofurantoin die Blutwerte beeinflussen?
Die Einnahme des Antibiotikums kann bestimmte Blutparameter beeinträchtigen. Zum einen kann es bei Laboruntersuchungen zu fälschlich erhöhten Werten kommen, zum Beispiel bei der Messung von Glukose, Harnstoff, alkalischer Phosphatase, Bilirubin oder Kreatinin1.
Andererseits können einige Messwerte tatsächlich verändert sein. Dazu gehören z. B. Leberenzyme, die weißen und roten Blutkörperchen sowie die Blutplättchen1.
Wenn bei einer Blutuntersuchung auffällige Werte festgestellt werden, informieren Sie bitte Ihre Ärztin oder Ihren Arzt darüber, dass Sie Nitrofurantoin einnehmen. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit der Antibiotika-Therapie.
Nitrofurantoin: Vorsicht im Straßenverkehr
Ein paar Hinweise zur Verkehrstüchtigkeit unter Nitrofurantoin: Die Fähigkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen kann unter Umständen durch Nebenwirkungen der Behandlung beeinträchtigt werden1. Insbesondere Schwindel, Bewegungsunsicherheit oder unwillkürliche Augenbewegungen können hier problematisch sein. Achten Sie auf solche Symptome und verzichten Sie im Zweifelsfall lieber auf das Autofahren und ähnliche Aktivitäten, um sich und andere nicht zu gefährden.
Wer sollte Nitrofurantoin nicht einnehmen?
Nitrofurantoin darf unter bestimmten Umständen bzw. bei manchen Vorerkrankungen nicht angewendet werden. Verzichten Sie auf Nitrofurantoin bei
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff Nitrofurantoin, sonstige Bestandteile des Präparates und andere Vertreter der Klasse der Nitrofuran-Antibiotika4
- Niereninsuffizienz (Kreatinin im Blut unter 45 ml/min5) [4]
- verminderte oder fehlende Urinausscheidung (= Oligurie oder Anurie) [4]
- abnorme Leberenzymwerte [4]
- G6PD-Mangel (Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel), ein angeborener Enzymdefekt, der die roten Blutkörperchen anfällig für Schäden macht und zu Blutarmut (hämolytische Anämie) führen kann [4]
- Nervenschäden (Polyneuropathie) [4]
- Schwangerschaft im letzten Trimenon [4]
Frühgeborene und Säuglinge bis zum Ende des dritten Lebensmonats [4]
Eingeschränkte Nierenfunktion und Nitrofurantoin – wichtige Hinweise für ältere Menschen
Eine Nierenfunktionsstörung bzw. eine verminderte Urinproduktion von 0,5 Litern oder weniger sprechen gegen die Einnahme des Antibiotikums6. Der Grund dafür ist, dass bei eingeschränkter Nierenfunktion der Spiegel von Nitrofurantoin im Urin sinkt und die Konzentrationen im Blut steigt, was das Risiko von Nebenwirkungen erhöht4.
Da die Nierenfunktion mit zunehmendem Alter nachlassen kann, ist bei älteren Menschen besondere Vorsicht geboten. Folglich ist bei Menschen über 65 Jahren vor der Behandlung die Nierenfunktion durch eine Blutuntersuchung zu prüfen6. Wird dabei eine sogenannte Niereninsuffizienz festgestellt, so ist anstelle von Nitrofurantoin ein anderes, für die Nieren besser verträglich Arzneimittel zu wählen.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Nitrofurantoin kann mit verschiedenen Arzneimitteln Wechselwirkungen eingehen, die die Wirkung der beteiligten Präparate verstärken oder abschwächen können. Dies betrifft insbesondere4:
- Mittel gegen Sodbrennen (Magnesium- oder Aluminiumsalze)
- Metoclopramid (bei Übelkeit und Erbrechen)
- Atropin (gegen niedrige Herzfrequenz)
- Propanthelin (z. B. zur Behandlung einer Reizblase)
- harnalkalisierende oder harnansäuernde Mittel
- Probenecid und Sulfinpyrazon (gegen Gicht)
- Antibiotika aus der Gruppe der Chinolone (z. B. Ciprofloxacin, Norfloxacin)
- Phenytoin (gegen Epilepsie)
Einige Kombinationen wie Nitrofurantoin und Chinolone sind nicht zulässig, da hierbei die Wirkung des Chinolons aufgehoben wird4. Bei Phenytoin sind z. B. regelmäßige Blutkontrollen erforderlich, da Nitrofurantoin den Blutspiegel von Phenytoin ändern kann [1].
Wenn Sie also diese oder andere Medikamente einnehmen, sollten Sie das vor der Anwendung von Nitrofurantoin mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin besprechen.
Nitrofurantoin und die Pille: Wie sicher ist die Empfängnisverhütung während einer Antibiotika-Therapie?
Während einer Behandlung mit Nitrofurantoin sollten Sie zusätzlich eine nicht-hormonelle Verhütungsmethode (z. B. Kondome) anwenden1. Der Grund: Nitrofurantoin kann Erbrechen oder Durchfall auslösen, was die Wirkung der Pille beeinträchtigen kann [1].
Nitrofurantoin in Schwangerschaft und Stillzeit
Laut Experten der Charité Berlin gehört Nitrofurantoin in der Schwangerschaft zu den Antibiotika der zweiten Wahl [7].
Insbesondere im letzten Drittel der Schwangerschaft sollte Nitrofurantoin strikt vermieden werden, da es beim Neugeborenen eine hämolytische Anämie auslösen kann1. Auch in den ersten sechs Monaten der Schwangerschaft sollte es nur bei zwingender Notwendigkeit und fehlenden Alternativen eingesetzt werden [1].
Während der Stillzeit wird von einer Anwendung abgeraten, da der Wirkstoff in die Muttermilch übergeht [1]. Eine Behandlung sollte nur erfolgen, wenn der Arzt sie für unumgänglich hält [1].
Welche Alternativen gibt es zu Nitrofurantoin?
Vielleicht fragen Sie sich, ob es Alternativen zu Nitrofurantoin gibt, die besser verträglich sind, genauso gut wirken und weniger schwerwiegende Nebenwirkungen haben. Eine generelle Empfehlung ist schwierig, da kaum ein Medikament völlig frei von Nebenwirkungen ist. Wenn jedoch bereits Unverträglichkeiten aufgetreten sind oder Bedenken bestehen, kommen bei akuter unkomplizierter Blasenentzündung unter anderem Fosfomycin-Trometamol, Nitroxolin oder Trimethoprimin Frage4. In der Schwangerschaft können z. B. Penicillin V, Cefuroxim oder Pivmecillinam angewendet werden [7].
Ob eine dieser Möglichkeiten für Sie geeignet ist, sollte individuell mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Die Wahl des Antibiotikums hängt von der Art der Erkrankung, dem Erreger und der persönlichen Krankengeschichte ab. Eine individuelle Abwägung der Vor- und Nachteile ist dabei entscheidend.
Alternative zu Antibiotika: Reine Schmerztherapie und Phytotherapie
Antibiotika sind nicht immer notwendig. Dies gilt insbesondere für die akute unkomplizierte Zystitis. Studien haben gezeigt, dass auch nicht-antibiotische Behandlungen gute Ergebnisse erzielen können2. Dazu gehören unter anderem:
- Entzündungshemmende Schmerzmittel wie Ibuprofen [2]
- Pflanzliche Präparate wie eine Dreierkombination aus Rosmarin, Tausendgüldenkraut und Liebstöckel2 (z. B. in Canephron® Uno enthalten)
Insbesondere die genannte Pflanzenkombination hat sich in Studien als gut wirksam erwiesen: In 84 % der Fälle konnte durch ihre Einnahme eine Antibiotikatherapie vermieden werden2. Zum Vergleich: Bei Ibuprofen lag die Erfolgsquote zwischen 53 % und 67 %, bei Diclofenac bei 37 %2.
Es kann also durchaus sinnvoll sein, zunächst eine der genannten nicht-antibiotischen Therapien zu verwenden.
Fazit
Nitrofurantoin ist ein wirksames Mittel zur Behandlung, Vorbeugung und Kontrolle von Harnwegsinfektionen. Allerdings können zum Teil schwere Nebenwirkungen auftreten. Der Einsatz des Antibiotikums sollte daher immer sorgfältig abgewogen werden. Vor allem bei längerer Therapie empfiehlt sich eine regelmäßige Kontrolle der Blutwerte, um bestimmte Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und entsprechend reagieren zu können.
Quellen
- 1. Fachinformation Nitrofurantoin-ratiopharm® 100 mg Retardkapseln. Stand 2019.
- 2. S3-Leitlinie Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen (HWI). Stand 2024. Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Urologie.
- 3. Rudolph, L. Häufige Arzneistoffe: Steckbrief Nitrofurantoin. 2024. Herausgeber: Avox – Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH. [Online] [Online] (zuletzt aufgerufen am 23.12.24)
- 4. Maucher, I V. Nitrofurantoin - Anwendung, Wirkung, Nebenwirkungen. 2019. Herausgeber: Vidal MMI Germany GmbH. [Online] (zuletzt aufgerufen am 23.12.24)
- 5. Fachinformation Nifurantin®100 mg. Stand 2022.
- 6. Gebrauchsinformation Nifurantin®100 mg. Stand 2022.
- 7. Nitrofurantoin. Herausgeber: Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie, Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin. [Online] (zuletzt aufgerufen am 23.12.24)